Meine Morgentoilette beginnt mit einem riesen Adrenalinstoß. Aus der Toilette kommt mir ein Schwarm Vögel entgegen. Da nehm ich doch lieber das Herrenklo.

 

Wir sind sehr früh dran, weil wir uns, bevor wir in Izmir ankommen, noch Troja anschauen wollen. Zum Frühstück kaufen wir uns unterwegs Trauben in der Tüte. Die können wir während des Fahrens essen. Auf einer breit ausgebauten, fast schnurgeraden Straße rollen wir gen Troja. Und schwups, haste nicht gesehen, die nächste Polizei-Kontrolle. Der Grieche vor uns wird weitergewunken, von uns werden die Namen notiert. Das wars. Ich bin mal gespannt, ob wir bei der Heimreise am Zoll zur Kasse gebeten werden.

Die Sonne brennt, der Asphalt glüht. In Ayvallik machen wir „Mittagspause“. Im Pizzaladen, bei Burger und Cappricciosa, versucht Tilman seinen Freund Ufuk nochmal anzurufen. Ich merke mir fehlt Flüssigkeit. Daheim werd ich mich gleich um so einen Trinkrucksack kümmern, den Tilman auch dabei hat. 2 Ayran und 2 Wasser schaffen etwas Abhilfe.

Ufuk geht nicht ans Telefon. Wenig später bekommt Tilman eine SMS, in der er schreibt, dass er wieder in Istanbul auf einer Geschäftssitzung ist. Also versuche ich meinen Kontakt in Izmir anzurufen. Fehlanzeige. Wir beschließen weiterzufahren und kurz vor Izmir nochmal das Telefon zur Hand zu nehmen. Um die Eintönigkeit der Schnellstraße abzumildern, mache ich den Vorschlag doch etwas ins Landesinnere zu fahren. Keine gute Idee. Immer kleiner wird die Straße und schließlich fahren wir auf Schotter. Umdrehen wollen wir nicht, und einwenig Adventure darf‘s am Tag ja sein.

Weiter Richtung Schnellstraße zurück halten wir in Menemen im Mechanikerviertel. Gleich sind wir umringt von Leuten, die wichtig ihre Hilfe anbieten, und uns aber nicht wirklich weiterbringen.

Ich versuche nochmal mein Glück und endlich bekomme ich Bülent ans Telefon. Es ist 18 Uhr, ob wir es schaffen bis 20 Uhr am "Fuar" (was auch immer das ist) in Izmir zu sein? Locker, so denken wir, schaffen wir die 30 Kilometer.

 

Die Ortsangabe ist für das Navi nicht auffindbar. Die Leute um uns wissen wo wir
hinwollen, nur richtig erklären kann es uns keiner. Tilman wird langsam nervös wegen der vielen Leute um uns, die anfangen unsere Motorräder zu betatschen. Wir machen uns aus dem Staub.

An der nächsten Tankstelle frage ich nochmal, und siehe da, ich bekomme sogar eine in englisch geschriebene Wegbeschreibung. Jetzt kann ja nichts mehr schiefgehen, denken wir.

 

In Izmir angekommen, wird uns klar, warum Bülent mit 2 h Anfahrtzeit gerechnet hat. Es ist Rushhour. Rechts und links werden wir überholt, angehupt oder fast
überfahren. Zweispurige Straßen werden kurzerhand dreispurig. Den Daumen in der
Nähe der Hupe, bemühen wir uns, die Fließgeschwindigkeit des Verkehrs
einzuhalten. Dann ist auch „Fuar“ angeschrieben. Jetzt kann es ja nicht mehr weit
sein. Langsam rollen wir auf eine Ampel zu. Ich höre grade noch wie Tilman
„Achtung nass“ ruft, da ist es auch schon passiert. Mir rutscht das Hinterrad
weg. Und ich docke an Tilmans rechten Benzinkanister an. Durch die Hebelwirkung
springt die Kette vom Ritzel der BMW. Die Honda und die BMW fällen um. Uns ist zum Glück nichts passiert.


Tilman wuchtet die Honda, das „Fahrrad“, auf und wir stellen sie auf den Mittelstreifen zwischen die dort gepflanzten Bäume. Die BMW schieben wir, zwischen den Autos durch, auf den breiten Bürgersteig. Wir sind ziemlich gestresst. Die Hitze am Tag, die lange Strecke und der heftige Verkehr haben ihren Tribut gefordert. Alles Gepäck muss von der BMW runter, damit sie auf den Hauptständer kann. Nicht das der auch noch bricht. 

 

Dies klappt schon wie am Schnürchen. Schnell ist die Achse gelöst und die
Kette da wo sie hingehört. Bei meinem Nils H., ist die Verkleidung vorne gebrochen und das Licht geht nicht mehr. Zum Glück hat der Scheinwerfer selbst nichts abbekommen. Die Verkleidung ist nicht wild und die Birne können wir tauschen, wenn wir unseren Zielort gefunden haben.

Ich stelle somit fest: HONDAs werden von den Fahrern gekillt, BMWs vom Gepäck.

Weiter geht die Suche nach „Fuar“. Das muss doch zu finden sein. Die Schilder schicken uns im Kreis herum. Jeder den wir fragen, weiß was es ist, aber wirklich zeigen wo wir hin müssen kann keiner. Durch puren Zufall landen wir an einem großen Kreisverkehr, und siehe, da ist das „Fuar“.


Ein riesiges Freiluft Theater! Und wir sind sogar pünktlich. Bülent hat schon
versucht anzurufen. 10 Minuten später ist er da. Irgendwie sind wohl nicht alle
Informationen richtig bei ihm angekommen. Er kann uns zwar das Haus seiner
Mutter zum Übernachten anbieten, aber die Motorräder müssten wir separat irgendwo unterbringen. Das wollen wir nicht. Schon gar nicht in so einer großen Stadt
wie Izmir wo wir Motorräder, wenn überhaupt, nur an armgroßen Ketten festgemacht, gesehen haben.

Wie für die Türkei typisch, lädt uns Bülent erstmal zum Essen ein, um weiteres bereden zu können und anschließend sollen wir entscheiden, was wir tun wollen. Er stellt seinen stummen Nachbarn als Mopedaufpasser ab und wir werden mal wieder so richtig abgefüllt mit Essen.

 

Bülent erzählt uns von seinem Sohn, der mit 22 (?) Jahren einfach niedergeschossen wurde. Auch dass er nicht so gern zum Friedhof geht, weil er meint dort Stimmen zu hören. Wir bekommen den Auftrag, nach einer deutschen Frau zum Heiraten zu suchen. Er möchte zurück nach Deutschland, er fühlt sich hier überflüssig.

In unseren Köpfen klingen ganz andere Stimmen: Birne kaputt, es ist dunkel draußen, kein Schlafplatz in Aussicht…

 

Schließlich einigen wir uns darauf, Izmir auf dem schnellstens Weg zu verlassen. Bis Denizli sind es nach Bülents Aussage angeblich nur 2,5 Stunden. Was wir dabei nicht bedenken, die 2,5 h sind Autostunden nicht Motorradstunden.

 

Aufgeht es Richtung Denizli. Tilman fährt voraus und leuchtet mit seiner verbauten Xenon-HID-Lampe mir den Weg aus. Ich fahre mit Standlicht so dicht es geht hintendran, obwohl mich der rutschige Asphalt doch sehr nervös macht.

 

Dann erscheint vor uns die Mautstelle. Bar bezahlen ist hier nicht möglich. Was müssen wir dann machen? Erstmal anhalten und beobachten, wie die anderen verfahren. Das bringt uns nicht weiter, einige halten, stecken Karten in einen Automat, andere fahren einfach durch.


Ich mache mich auf den Weg, um mir das mal genauer anzuschauen. Ein freundlicher LKW-Fahrer erklärt mir, dass wir durchfahren sollen und an der nächsten Shelltankstelle eine Mautkarte kaufen müssen. Na dann mal los. Wir hängen uns an einen LKW, der eine gute Rückbeleuchtung hat. Leider fährt er an der Tankstelle nicht raus.

Wir erstehen die Karten und fahren weiter. Tilman ist ziemlich müde. Meine Lebensgeister kehren langsam zurück, auch weil es endlich kühler wird. Bei …. Ist die Autobahn zu Ende, aber die Landstraße gut ausgebaut. Zwei Polizeikontrollen haben wir schon unbehelligt passieren können. Doch an der dritten werden wir rausgezogen. Der Polizist weist uns auf mein defektes Licht hin. Wir stellen uns etwas doof, dass wir das gar nicht bemerkt haben etc. und dürfen tatsächlich weiterfahren.

An dieser Stelle muss ich jetzt ein großes DANKESCHÖN an Tilman loswerden. Alle, für meine gehandicapte Hand schwierig zu fahrenden Stücke oder Schiebeaktionen, hat er mir ohne Murren oder Knurren abgenommen.

Nachdem Tilman nun schon 2 mal vor mir im Sekundenschlaf schier von der Straße gefahren ist, beschließe ich, nun ist Schluss! Am nächsten Hotel / Pension / oder ähnlichem, halten wir an. Koste es was es wolle. Wunder über Wunder ca. 60 Kilometer vor Denizli taucht das “Grüvec“-Motel auf. Es ist 2 Uhr Nachts und wir bekommen tatsächlich ein Zimmer. Um 10 Uhr sollen wir draußen sein, doch das ist uns nicht so wichtig. Nach einer kurzen Dusche, fallen wir nur noch auf die Betten und schlafen wie die Steine.