Das Tropfen hat den Rest der Nacht nicht aufgehört. Da macht Liegenbleiben und auf die Sonne warten keinen Spaß. Wir kriechen zügig aus den Schlafsäcken. Das Überzelt ist innen wie außen nass. Kurzer Hand nehmen wir das Teil runter und hängen es linksrum auf. So kann alles gut abtrocknen, wenn denn die Sonne endlich über den Hügeln erscheint.

 

Tilman kocht das letzte Tütennudelessen. Nach dem Frühstück erkunde ich noch den Sand am Meer, denn das Trocknen von Zelt und Motorrädern dauert seine Zeit. Hier gibt es auch Strandputzer, die kommen grade an.

Der Platzwart kommt auch noch mal vorbei. Dürfen wir nur bis zu einer bestimmten Zeit bleiben? Nein, sein Kumpan hat ein Problem mit seinem Roller. Der hat einen Plattfuß und sie fragen uns ob wir helfen könnten. Wieder einmal zeigt sich, dass wir doch nicht alles für umsonst mitgenommen haben. Selbstverständlich hat Tilman in seinem Repertoire einen Komperssor.

Nach geleisteter Hilfestellung und frisch gefülltem Reifen, der vieleicht bis zur nächsten Tankstelle hält, ist nun auch das Zelt trocken. Zusammenlegen, einpacken und auf d'Kischt spannen. Kurz noch über das neue Kabel Starhilfe geben und es kann losgehen nach Istanbul.

 

Unser erstes Ziel dort ist Touratech. Doch vorher fahren wir noch über kleine Straßen, die sehr schön sind, sich zum fahren aber anfühlen wie die in unserer Heimat gelegen Streck „rote Lache". Ein Schlagloch am Anderen.

Plötzlich, wir haben grade eine Minikreuzung mit Bushaltestelle und Imbiss passiert, fällt die komplette Elektrik von der Kischt zusammen. Mitten auf der Strasse geht sie aus. Vorsichtig rollt Tilman zurück Richtung Bushaltestelle. Was war los?

 

Den Fehler hat Tilman schnell gefunden: Die Kabel vom Seitenständerhalter waren wieder ohne Kontakt. Die Meerwasserluft hat die Kabelenden Oxidiert, obwohl sie mittels Isolierband geschütz waren. Aber kein Problem, es muss nur kurz gelötet werden. Ja, lieber Leser das gibt es, den Lötkolben zum mitnehmen. Eine feine Sache, das muss ich zugeben.

Tja, wenn du in der Türkei stehen bleibst, kommen sehr bald Leute, die helfen wollen oder nur mal ein Gespräch beginnen. So auch hier: Eigentlich ist die Strasse Menschenleer, da hält plötzlich ein Auto. Ein Mann und eine Frau steigen aus. Die Frau geht gleich rüber zur Bushaltestelle, und der Mann fragt ob wir Hilfe brauchen. Nachdem er gesehen hat, dass Tilman schon mit dem Lötkolben hantiert, grinst er und schaut noch einwenig zu.

Zum Thema „rote Lache", darüber können wir inzwischen nur lachen; denn teilweise haben wir hier solche Beläge 3 Tage am Stück gehabt.

 

Bevor wir nach Istanbul reinfahren, wollen wir noch mal tanken. Ich bin aufgeregter als ich es zeige oder zugeben würde. Deshalb kauf ich mir erstmal einen Schokoriegel. Das fördert den Optimismus.

 

Kaum komme ich aus dem Tankshop raus, sagt mir Tilman, dass er kurz seinen Seitenständer schweißen lässt. Wie, was, wo denn?

 

Ein Herr hat Tilman angesprochen und sie haben sich in englisch weiter unterhalten. Natürlich hat er gefragt ob er was helfen könnte. Und Tilman hatte wohl den richtigen Riecher, als er erzählt er bräuchte eine neue Schweißnaht am Seitenständer. Schwupdiwup wird er auf die Rückseite der Tankstelle dirigiert. Dort befindet sich eine LKW-Werkstatt.

Ich halte mich mal bei soviel geballter Mechanikerunterhaltung zurück und mache nur Bilder. Sicher dass die neue Schweißnaht besser hält und glücklich dies noch vor Istanbul erledigt zu haben, schlürft Tilman seinen Tee. Obwohl es wieder viel Gelächter gab über die mindestens 4 Stück Zucker die er immer braucht.

Es geht rein in den Moloch Istanbul. Ich habe schweißnasse Hände. Ganz ruhig und monoton kommen über das Headset von Tilman Infos und Anweisungen, wann wir abbiegen müssen und so weiter.


Das beruhigt mich sehr, und nachdem wir Touratech auf Anhieb finden, ist es für
mich nicht mehr beängstigend durch die Straßen zu fahren.

Freundlich empfängt uns Onur. Natürlich bekommen wir Tee und werden auch gleich in ein Gespräch eingebunden. Tilman durchkämmt das kleine aber feine Sortiment und ich unterhalte mich mit zwei Kunden auf englisch. Da passiert mir doch ein echter
Faux-pas. Wie hier üblich frage ich woher die beiden denn stammen.

 

Der eine kommt aus Instanbul und der andere aus England. „You speak a very nice english“ sag ich zu ihm. Peinlich, peinlich. Doch er hat Humor und so lachen wir uns halbtot über diesen Joke. Er zeigt mir auch noch seinen deutschen Jagdhund, den er im Auto hat.

 

Leider versteht der nur deutsch und sein Deutsch wäre sehr schlecht. Wir zwinkern uns zu und lachen wieder. Das war die Retoure-kutsche. Unser Unterhalten zu dritt
geht weiter über Motorräder, Autos, Urlaub und Touren richtige Benzingespräche
eben.

 

Mein Magen meldet sich zu Wort und uns wird ein Lokal an der nächsten Ecke empfohlen. Das ist gut, denn so können wir die Motorräder stehen lassen.

Während des Essens entscheiden wir heute auf dem asiatischen Teil Istanbuls zu bleiben, und lieber erst morgen nach der Frühroushhour in den europäischen Teil zu wechseln.

Wir nehmen noch mal Onurs Hilfe in Anspruch, und fragen nach einem günstigen Hotel. Ein paar Telefonate später, hat er für uns im Lehrerhotel ein Zimmer reservieren lassen. 55 € mit Frühstück für 2 Personen, super günstig für Istanbul.

Tilman gibt die Adresse ins Navi ein. In einer fremden Stadt ist ein Navi einfach richtig gut. Die Straße in der das Lehrerhotel sein soll, findet das Navi spielend. Bei der Hausnummer wird das schon schwieriger. Nachdem wir mehrere Male angehalten haben und Passanten befragten, stehen wir endlich vor diesem „Hotel" . Es gibt sogar eine Tiefgarage. Wir nehmen nur die nötigsten Sachen mit und werden vom Garagenboy zur Reception gebracht. Unser Reservierungscode von Onur geht klar und beide Pässe abgeben werden kopiert. Doch nun zeigt sich die Oldschool der Türkei. Ein gemeinsames Zimmer können wir hier nur haben, wenn wir verheiratet sind.

Überrascht schauen wir uns an. Auf unsere kleine Notlüge und die Erklärung, dass es in Deutschland erlaubt ist verschiedene Namen trotz Heirat zu haben, werden wir nach der Heiratsurkunde gefragt. Dass wir aber ein so wichtiges Dokument nicht mit in den Urlaub nehmen, ist völlig egal. Ein gemeinsames Zimmer gibt es nicht. Basta!

Wir können gerne zwei Zimmer auf demselben Stock haben, somit zum doppelten Preis natürlich. Da es schon später Nachmittag ist, und wir doch recht erschöpft sind von der drückenden Hitze einer Großstadt, entschließen wir uns schweren Herzens zwei Zimmer zu buchen.

Und nun der nächste Schock: Hier wird weder die Kreditkarte, noch die EC-Karte und erst recht keine Euros akzeptiert. Bitte nur Bares und bitteschön Türkische Lira. Soweit zum Thema fortschrittlich. Ich hinterlasse einen 100 Euroschein als Kaution. Das ist wiederum in Ordnung. Die beiden Zimmerschlüssel öffnen uns dann Türen zu je einem Dreibett-Zimmer. Ja, 3 Betten für jeden. Und die Zimmereingänge liegen fast
gegenüber. Das find ich nun echt lachhaft, bis ich die Kameras im Gang entdecke. Big Brother is watching you. Ich bin fast versucht, das Zimmer auf Kameras zu untersuchen.

Dieses Gemäuer gefällt mir überhaupt nicht. Erst nach dem ich den Schweiß abgeduscht habe, fühle ich mich etwas besser. Um meine Kaution einzulösen, müssen wir noch zu einer Wechselstube. Wir bewegen uns auf dem Gehweg in die Richtung, die uns von der Rezeptionistin gewiesen wurde. Nach ein paar hundert Metern, erreichen wir einen kleinen Platz. Hier sind Juweliere, türkisches Fastfood und Tante Emma Lädlen zu finden. Ich tausche mein Geld in der erstbesten Wechselstube. In das grässliche Hotel wollen wir nicht gleich zurück, also schlendern wir noch ein bischen durch die Straßen.

An einer 4 spurigen Strecke laufen wir in einer Richtung hoch, und wollen auf der anderen Seite wieder runterlaufen. Bei der Straßenüberquerung wird uns klar, warum die Bordsteine hier so hoch sind. Das ist zum Schutz der Fußgänger. Sonst würden auch noch Gehsteige zu Fahrstrecken umfunktioniert. Unterwegs erstehen wir Trauben und Nektarinen zum Abendbrot. Doch an der nächsten Kreuzung entdecken wir einen
Mini-mini-Dönerstand. Ich würde mal sagen so 1-2 m², zuzüglich wackeligen
Schemelchen mit Tischchen auf dem Bürgersteig. Da machen wir es uns bequem,
essen wirklich leckeren Döner und beobachten die Kreuzung vor uns.

Das ist so faszinierend, dass wir 2 Stunden lang Verkehr gucken. Die 1 spurige Einbahnstrasse wird kurzhand zur 3 spurigen ausgebaut. Jeder Bus drängt sich hupend vor, hält an und lässt erstmal alle aus- und einsteigen. Dabei interessiert es den Fahrer nicht im geringsten, dass er die ganze Kreuzung blockiert. Pizzabotenroller flitzen zwischen Autos durch, dass es einem ganz schwindlig wird. Und trotz dem, bleiben alle ziemlich gelassen. Bei dem Gedanken, dass wir morgen da durch müssen ist uns nicht ganz wohl.

Auf der Straße zurück zum Hotel ist es Grabbennacht. Keine Straßenlaterne und keine Hochhäuser von denen etwas Licht kommen könnte. Im Hotel, lassen wir beide
Zimmertüren bei voller Beleuchtung offen. Schließlich tun wir nichts verbotenes, sondern wollen noch am Diary weiterschreiben und auch via Internet den aheimgebliebenen ein Lebenszeichen zu kommen lassen. Trotzdem wir die Fenster
aufgemacht haben, bleibt in den Zimmern eine drückende Schwüle bestehen. Da ist
an konzentriertes Arbeiten am Laptop nicht zu denken, und ich verkrümel mich in
mein 3-Bett-Zimmer. Vorsichtshalber stell ich den Wecker auf 6.30 Uhr und ich
schaffe es auch einzuschlafen.