Ikbal - Evelyns guter Geist – hat uns Brot und Hefezopf an die Tür gehängt. Vergnügt und gespannt was wir heute alles erleben werden, frühstücken wir auf dem steinernen Tisch der kleinen Veranda.

Ein Freund von mir hat uns vorgeschlagen die unterirdischen Städte in Drinkuyu zu besuchen. Wir beschließen mit nur einem Motorrad zu fahren und fragen bei Evelyn nach, welches der beste Weg wäre.

„Auf keinen Fall geht ihr dahin!" ist das erste was sie sagt. „Das ist für euch viel zu
viel Tourismus. Ihr seid doch Abenteurer und wollt doch was erleben. Ich gebe euch da mal eine Telefonnummer von einem guten Freund von mir."

Wen kennt sie eigentlich nicht, die gute Evelyn? Schnell diktiert sie uns die einzelnen Dörfernamen durch die wir fahren müssen um nach Mazi Köyü zu kommen.

Da wir von Evelyn nicht weg kommt ohne in ein nettes Gespräch verwickelt zu werden, dauert es eine Weile bis wir loskommen. In der Zeit hat sie für uns auf
meinen Wunsch hin noch einen Ballonflug geordert. Nicht die teure Variante
mit Sonnenaufgang, sondern der 2. günstigere Flug anschließend, in dem 24 Leute im Korb sind.

Beschwingt machen wir uns auf den Weg. Ich bin seit langem mal wieder Sozia. Komisches Gefühl. Aber ich habe jetzt die Aufgabe so viele Fotos zu machen wie nur möglich, egal was, egal wie, Hauptsache ganz viele.

Das ist gar nicht so einfach, weil wir die eine oder andere „Strasse" nehmen die zum Off-roaden einlädt. Ein fast ausgetrocknetes Flussbett ist auch dabei. Tilman kann endlich ohne das ganze Gepäck Sandpisten fahren. Was ein Spaß!

Glücklich machen wir uns wieder auf und begeben uns zurück auf die befestigten Wege. Es wird auch langsam Zeit, dass wir in Mazi Köyü ankommen, sonst ist es dunkel bis wir zurück fahren. Was wir noch nicht wissen ist, dass das Licht von der "Kischt" kaputt ist. Dabei gibt es so viel zu sehen. Hinter jeder Kurve entdecken
wir ein neues tolles Fotomotiv. Und das Licht erst, zu jeder Stunde leuchten,
glühen oder verblassen die Farben.

Wir sind Mazi Köyü angekommen und werden sofort umringt von neugierigen Kindern. Nachdem wir "Ishans" Nummer gewählt haben, geht leider keiner dran. Später wissen wir warum. Nachdem sich Ishan auch nach dem 3. Versuch nicht meldet, lenke ich meine Schritte in Richtung nächstes Kaffeehaus. Wie so oft erhalten wir sofortige Hilfe.

Einer ruft irgendjemanden an, der dann den nächsten anruft und innerhalb kürzester Zeit erscheint der Helfer. Meistens ein Familienmitglied oder sehr guter Bekannter des Gesuchten.

Tatsächlich werden wir von einem Bekannten zum nächsten Kaffeehaus geführt. Es gibt Cay (Tee) und Tilman mit seinem Wunsch nach 4 Stück Zucker erregt Heiterkeit. Ich bewundere mit welcher Höflichkeit er sich dieser Sitte des Teetrinkens widmet, denn eigentlich kann er Tee überhaupt gar nicht ausstehen.

Unser „Touristenführer" entpuppt sich als eine Mischung aus Cowboy und Schlitzohr. Das australische Pärchen, das er vor uns durch die Höhlenstadt geführt hat, erzählt nicht viel sondern zeigt uns ihre sandige und eingedellte Spiegelreflex-Kamera.

Bei diesem Anblick wird Tilman blass. Seine gute Kamera mit Sand verstaubt und Dellen drin, unvorstellbar. Als wir erwähnen, dass uns Evelyn hierher geschickt hat, fangen Ishans Augen an zu leuchten. Hier haben wir wohl einen heimlichen Verehrer gefunden. Nachdem auch Ishan seinen Tee getrunken hat, machen wir uns auf den Weg.

Wie soll ich das beschreiben? Jeder hat eine Taschenlampe in der Hand und wir fühlen uns wie Entdecker. Anfangs fällt ja noch Licht in die Wohnhöhlen, doch später wird es stockfinster ohne Taschenlampen.

Ishan prüft unser Angst- und Panikgefühl indem er einfach mal alle Lichter ausmacht. Ich glaube wir haben seinen Test mehr als bravourös bestanden, denn nun führt er uns an Stellen, die teilweise nur auf allen vieren bewältigt werden können.

Bilder

Es geht „Treppenhäuser" und Kamine senkrecht nach oben. Gesichert an Seilen, die grad mal so dick wie ein kleiner Finger sind und uralt aussehen zieht Ishan uns nach oben. Durch die ganze Kletterei und aufpassen in kein tiefes Loch zu fallen, kann ich mich nicht darauf konzentrieren, was Ishan alles zur Geschichte der Höhlen erzählt.

Das muss Larissa noch nachlesen. Wir erreichen das Tageslicht durch einen Ausgang oberhalb des Einganges. Verschnaufen ist angesagt.

Ishan mit seiner Drahtigkeit ist sehr viel schneller unterwegs als wir. Wie ein echter Cowboy setzt er sich erstmal hin und dreht sich eine Zigarette.

Inzwischen ist Ahmet, ein weiterer Höhlenführer, mit Bananen aufgetaucht. Hungrig machen wir uns darüber her.

In meinem Verband hat sich Sand gesammelt. Das hindert mich daran eine weitere Höhle zu besichtigen. Leider. Aber Tilman zieht mit Ishan los, und ich begebe mich Ahmet zurück zum Kaffeehaus. Es gibt, wie könnte es anders sein, Tee. Ich liebe den türkischen schwarzen Tee und unterhalte mich mit Ahmet.

Er spricht türkisch und französisch. Mir schwirrt der Kopf. Französische, englische, türkische und deutsche Begriffe vermengen sich. Einen Satz fange ich in französisch an und beende ihn mit englisch und dazwischen fallen einzelne Wörter in deutsch oder türkisch. Was ein Kauderwelsch. Aber wir verstehen uns und lachen viel.

Tilmans Höhlenbericht

Einer der „Höhlenforscher" kommt zurück. Ishan will mir weis machen, dass er Tilman in der Höhle ohne Licht zurückgelassen hat und jetzt mit mir ein neues Leben anfangen will. Hahaha, ich glaube nicht, dass er weiß was er sich mit mir einfangen würde. So schnell kann man mich, Gottseidank, nicht ins Bockshorn jagen. Ein paar Minuten später erscheint denn auch der 2. „Höhlenforscher" mit tollen Bildern.

Auf die Frage was wir schuldig sind, antwortet uns Ishan: „Ich nehme das was ihr meint was es euch wert gewesen ist." Erstaunt schauen wir uns an, denn die Australier hatten ihm 20 TL zugeschoben. Diesen Betrag empfinden wir, nun nach der „privaten" Führung als sehr mikrig. Während Ishan sogar noch etwas zum Essen holt,
legen wir einen Betrag fest.

Wir palavern während des Essens noch über die Einflüsse des Tourismus auf Mazi Köyü, und dass die Einwohner nicht gewappnet sind dafür. Da klingelt das Handy und Ishan gibt mir es mir, da Evelyn mich sprechen will? Sie hat versucht uns über unsere Handys zu erreichen. Wir hatten, der Gewohnheit folgend, in unseren Anmeldebögen nur die deutschen Nummern angegeben und nicht die türkischen prepaidnummern.

Evelyn ist ganz aufgeregt. Sie sagt:"Morgen müsst ihr früh aufstehen. Ihr werdet um 5.05 Uhr abgeholt. Es hat einen Ausfall im Morgenstundenflug gegeben und ihr seit
nachgerückt zum selben Preis." Ich könnt sie durchs Telefon knutschen. So kommen wir zu einem viel schöneren Erlebnis, da wir im Sonnenaufgang starten, länger untewegs sind und den Korb nun nur mit 12 Leuten teilen müssen.

Inzwischen ist es dunkel und recht kühl geworden und wir müssen sowieso zurück fahren. Und wenn ich sage dunkel, dann meine ich das auch so. In der Türkei ist das nicht wie bei uns, dass da ständig die Lichter irgendeines Ortes zu sehen sind, nein es ist wirklich krabbennacht.

Als Tilman die BMW zum Glück gestartet bekommt, bemerkt er, dass sein Licht nicht mehr geht. Uns wird bewusst, mit welcher Naivität wir unterwegs sind. Immerhin ist die Batterie der Kischt nicht in Ordnung. Mehr als einmal musste Nils H. Starthilfe geben. Manchmal muss man eben einfach Vertrauen haben. Meinen Vorschlag, mit der LED Taschenlampe zu leuchten schlägt Tilman aus und schaltet seinen Xenon-Zusatzfernlicht von Touratech ein. Dieser blendet zwar alles Entgegenkommende, aber immerhin sehen wir wieder alles.

Auf unserem Heimweg begegnet uns dann ein Roller, der lediglich mit eingeschaltetem Blinker und einem Beifahrer mit Taschenlampe das Frontlicht ersetzt. Mein Vorschlag war also gar nicht so abwegig.

Die Höhle hat es uns angetan. Ich glaube wir sind da neu geerdet und frisch auf Mutter Erde gepolt worden. Wenn möglich möchten wir noch eine 3. Nacht bleiben, damit Tilman in aller Ruhe die neue Batterie in die Kischt verbauen und das Kaputte Licht wechseln kann.

Unser Wunsch trifft bei Evelyn auf offene Ohren. Allerdings müssten wir bis um 9 raus, weil dann alles gerichtet und gereinigt werden soll für neue Gäste. Das ist für uns kein Thema. Mit neuen Eindrücken und gespannt auf weitere beim Ballonflug lassen wir uns in unsere Träume führen.