Eine zweite Nacht mit wenig Schlaf. Diesmal nicht wegen Fluglärm jeglicher Art, sondern wegen der Stille in der man sogar die Regenwürmer husten hören konnte. Wir sind mal grade so am einschlafen, da biegt ein Auto auf unseren Platz ein. Wir hören Palaver. Tilman packt mutig die Taschenlampe und wagt sich nach draußen. Doch die Störenfriede sind schon wieder weg. Dafür sieht Tilman ein komisches Tier. Kaum haben wir uns wieder hingelegt, der nächste Schreck, die Hütehunde bellen unser Zelt an. Den Geräuschen nach zu urteilen, machen sie sich über unsere kargen Essensreste in den noch ungespülten Tellern her.

 

Tilman schnorchelt friedlich vor sich hin. Ich habe dagegen mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen. Die letzten Tage hatte ich Tilmans Anteil an schwarzen Oliven immer mitgegessen. Waren einfach zu lecker! Diese Nacht muss ich dafür büßen. Solange es noch ganz dunkel war hab ich mich ja wegen den Hunden nicht rausgetraut. Mit Hütehunden ist nicht zu spaßen. Aber irgendwann im beginnenden Morgengrauen trifft mich dann doch Montesumas Rache mit voller Wucht. Ich geh jetzt hier mal nicht ins Detail. Nur so viel: In den Bergen oberhalb von Manavgat, unter Steinen begraben ruht mein Pyjama.

Wir starten wie so oft ohne Frühstück. Für mich wird das sowieso ein Hungertag nur Wasser, Tee oder Cola. Mehr gibt’s nicht für mich heute. Die Straße, der wir folgen ist zwar nur so ca 1000 m über dem Meeresspiegel, kann aber mit denen die wir schon bei Mexikoreisenden gesehen haben, durchaus mithalten. Links geht’s steil rauf und rechts eben so hinunter. Für 30 km brauchen wir gefühlt eine Stunde Fahrzeit. Das Panorama und die Aussicht sind gigantisch. Immer wieder halten wir an um Fotos zu machen. Auf der Straße selber fahren wir soweit es geht vom Abhang weg. Was hier passiert, wenn sich zwei Autos begegnen, wollen wir uns lieber nicht vorstellen.

Endlich erreichen wir eine der größeren Straßen. Dort ist auch ein kleines Lokal. Die Toilette ist erst mal mein. Cola haben sie leider nicht zu verkaufen und auch keine Salzstängele, dafür aber Cappy Kirsch für Tilman. Der Zucker bringt seine Lebensgeister wieder ein wenig zurück. Auf der Karte checken wir unseren weiteren Weg Richtung Nevşehir über die Hochebene von Konya. Laut Angaben vom Navimeister sind das ca. 4 Stunden Fahrt. Trotz Müdigkeit und Montezumas Rache im Nacken beschließen wir durchzufahren. So gewinnen wir einen Tag mehr für Kappadokien, und zeitlich ist es dann grad noch hell genug um nach einer Unterkuft zu suchen.

Beim Verlassen des Gebirges, liegt Konya zu unseren „Füßen". Was für eine riesige Stadt. Unsere Befürchtung, wir müssten da jetzt im Mittagsverkehr mittendurch fahren, erweist sich als unbegründet. Auf einer Umgehungsstrasse, die wir als solche nicht erkannt hätten, denn sie führt uns durch Abfallberge und an der Müllverbrennungsanlage vorbei, erreichen wir die andere Seite. Nun beginnt die Hochebene von Konya. Rechts und links erstrecken sich abgeerntete, sandfarbene Felder. Unterbrochen nur von einem verfallenen Haus oder einem kleinen Dorf.

 

Vor uns schnurgerade die Straße und hinter uns ebenso. Am Horizont ist nichts zu sehen. Nur die Sonne verbrennt die Haut ohne dass wir es merken, denn es geht auf diesen Höhen ein kühler Wind. Automatisch wirst du immer schneller, denn deine Hand rutscht am Gasgriff runter. Nur die Radarwarnschilder und ab und an eine Baustelle unterbrechen diese Eintönigkeit, und lassen dich die Geschwindigkeit ab und zu wieder reduzieren.

Endlich erkennen wir auch am Horizont wieder schemenhaft eine Bergkette. Das tut den Augen gut. Nevşehir liegt in Reichweite. Am Ortsschild der Partnerstadt von Pforzheim machen wir ein Erinnerungsfoto. Da hupt es wild von der anderen Straßenseite: Unsere rumänischen Freunde fahren winkend an uns vorbei. Das gibt's doch nicht, die waren ja sauschnell. Nicoleta und Marcu wollten ja nach Mersin ans Meer und dann zurück. Und dann fahren sie aussgerechnet in diesem großen Land Türkei noch mal an uns vorbei.

Nach dem 2. Tankstopp für heute meldet sich langsam schmerzend Tilmans Hinterteil. Ein unverkennbares Zeichen dafür, dass er in etwa einer halben Stunde Hunger bekommt. Gut dass wir wenigstens Nevşehir schon erreicht haben.

 

Nicht weit weg ist die bekannteste der Felsenstädte „Göreme". Dorthin fahren wir und entdecken auch gleich einen Campingplatz. Tilman möchte aber vorher noch ein Cavehouse suchen, über das er einen YouTube-Video vor etwa 1 Monat zufällig gesehen hat. Wir haben noch etwas mehr als 1½ Stunden übrig bis die Sonne untergeht und machen uns auf die Suche.

Das erweist sich als gar nicht so einfach, denn Tilman weiß weder den Namen des Houses noch den der Besitzerin. Alles was er an Infos hat, ist, dass die Dame Deutsche ist und schon vor mehreren Jahren hier ein altes Felsenhaus gekauft, renoviert und zum mietbaren Cave-House umgebaut hat.

 

Ich mach auf den Weg und frage ein paar Leute aus. Es gibt in Göreme 3 deutsche
Frauen die ein Cave-House führen. Wir sollen doch mal an der Touristeninformation nachfragen, da würden auch Bilder des jeweiligen Hauses aushängen.

 

In der Zwischenzeit hat Tilman es geschafft im Internet durch geschickte Suche bei Google ein Bild zu finden, dass er mit dem Cave-Haus in Verbindung bringt. Dies verweist tatsächlich auf die Richtige Homepage des "ASMALI CAVE HOUSE" und dort steht auch eine Adresse und Telefonnummer dabei.

 

Wir rufen an, doch leider geht niemand dran. Dann also doch hinfahren. Wir müssen einen Ort zurück nach Uchisar. Auf einem der beiden Dorfplätze meint das Navi: „Sie haben ihr Ziel erreicht" nur dass hier weit und breit kein "Asmali House" zu sehen ist.

Unglücklich schaut sich Tilman um, er wäre so gerne mal dorthin. Aber da hat er die Rechnung ohne mich gemacht. Schnell steige ich ab und frage den nächstbesten,
teetrinkenden Teppichverkäufer nach dem Asmali House von Evelyn Kopp. Bei Asmali-House schaut er noch sehr skeptisch, doch beim Namen Evelyn Kopp wird er richtig lebendig. „Das ist eine very gute Freundin von mir. Folgt mir einfach,
ich führe euch hin".

 

Ein paar Ecken weiter zeigt er auf eine schmale, eine wirklich sehr schmale Straße und meint ganz unten, rechts rum dann wäre wir da. Schnell fährt er zurück zu seinem Laden und wir schauen zweifelnd auf das Gefälle der Straße. Je 80 cm rechts und links einer Regenrinne, führt das gepflasterte Sträßchen steil nach unten. Alla hopp sag ich, wir haben es bis hier geschafft, dann packen wir auch den Rest. Todesmutig stürzen wir uns nach unten. Entgegenkommen darf da keiner und sandig wird es auch noch.

Gut dass ich die letzte Zeit viel mit der Hinterradbremse hantieren musste. Zwischen lauter Höhlenhäusern, renovierten und ruinierten halten wir nochmals an. Auf einem Balkon wird gegrillt und wir fragen vorsichtshalber noch mal nach, ob wir wirklich richtig sind. „oui, oui, Evelyn" fliegen uns die französischen Worte um die Ohren. Mit einem Fingerzeig weisen uns die netten Nachbarn den Weg. Und tatsächlich eine Straße unter uns steht ein schwarzes gekleidetes und verwuscheltes Mensch auf dem Gehsteig. Tilman hat das Logo erkannt und ist nicht mehr zu bremsen. Bis auch ich ankomme, hat er schon seine "Kischt" abgestellt und erzählt warum und wieso wir da sind.

Evelyn ist etwas sprach- und ratlos. Denn normalerweise hätten wir vorreservieren müssen, denn sie ist ständig ausgebucht. Unser Mut sinkt. Dann meint sie, sie könnte uns nur die Höhle anbieten, aber die wäre nicht gerichtet. Nicht sauber und keine Betten bezogen und auch der Kühlschrank würde nicht allzu viel hergeben.

 

Wir versichern ihr, dass uns eine warme Dusche und ein Plätzchen zum Schlafen völlig ausreichen, und Betten können wir auch selber beziehen. Evelyn meint, dann sollten wir erst mal gucken ob uns das zusagen würde.

Hier muss ich erst einmal eine Pause machen, denn was sie uns zeigt, ist grandios.

 

Sie führt uns in eine ca 80 qm große Höhlenwohnung, mit zwei Bädern, Küche, Essecke, Kaminplatz, „Gästezimmer" und wenn nötig noch ein Schlafzimmer. Alles für unsere Augen sehr, sehr sauber und ordentlich. Wie heißt es so schön: Man könnt vom Boden essen. Nun sind wir dran sprachlos zu sein. Das könnten wir, so verstaubt wie wir sind, für ein/zwei Nächte mieten?


Immernoch sind unsere Kinnladen nach unten geklappt, als Evelyn uns fragt wie
denn unsere Urlaubskasse bestückt sei. Diese Frage bringt uns schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Doch bei ihrem Preisangebot braucht sie nicht zweimal fragen. Dafür beziehe ich die Betten gerne selbst und kümmer mich um einen volleren Kühlschrank.

 

Noch ganz verzückt laden wir unsere Gepäck ab. Nach dem staubigen Tag auf Konyas Hochebene wollen wir noch duschen, eine Kleinigkeit essen und schlafen. Was für ein Luxus - ein in beigem Marmor gekacheltes Bad!

Larissa frisch geduscht und mit neuem Verband an der Hand, Tilman sogar rasiert, präsentieren wir uns unserer Hausherrin, damit sie auch sieht, dass wir keine Vagabunden sind.

 

Total aus dem Häuschen über unsere Verwandlung gibt sie uns gleich noch einen Tip wo wir jetzt noch leckeres Essen herbekommen. Das ist auch dringend nötig, zumindest für Tilman, ich darf ja noch nicht. Evelyn kriegt gleich mal einen Teil unserer heutigen Geschichte serviert und schwup die wupp, sagt sie uns in dem Lokal sollen wir dem Chef mein Verdaungsproblem schildern, der hätte ein spezielles Hausmittel.

 

Wir ziehen zu Fuß los. Ein wenig kaufen wir noch ein: Brot und Nutella fürs Frühstück und natürlich Wasser.

 

Das „rouge Moulin" erweist sich als ein wirklicher Geheimtip. Im Innenhof stehen die Tische rund um einen alten Brunnen. Sehr heimelig das Ganze, nur für unsere müden Augen viel zuviel. Ich bekomme einen kalten Mokka mit Zitronensaft ausgeschäumt als Hausmittel verabreicht und dazu eine große Portion Reis. Tilmans Essen sieht super lecker aus. Tilman fällt vor Müdigkeit fast mit dem Kopf in den ratz fatz leergeputzten Teller. Wir gehen zügig zurück in unsere Höhle und fallen in die Kissen.