5 Uhr am Morgen: Unsanft hat uns der Wecker aus dem Schlaf geholt. Es ist noch stockdunkel, denn alles Licht das nicht wirklich gebraucht wird, ist ausgeschaltet. Nur nebenan die Beleuchtung für den Weg zu den Toiletten erhellt einwenig unseren Platz. Doch nach 3 Wochen in Zelt, Hotel oder Pension, weiß jeder von ganz genau wo er welches Kleidungsstück findet, und welche Sachen in welchen Packsack passen.
Leise packen wir unsere Siebensachen und das Zelt ein. Um die anderen Camper nicht zu wecken, schieben wir die Mopeds zum Ausgang. Mit Starthilfe springt auch die Kischt an.
Mein Licht flackert vor sich hin und dann geht auf einmal nur noch das Fernlicht. Egal das muss jetzt warten bis ich mir eine neue H4-Birne besorgen kann. Als Funsellicht geht das Fernlicht grad so durch. Gut dass Tilman eine spezielle HID-Lampe hat, die hell genug ist für uns beide.
Um diese Uhrzeit ist tatsächlich weit und breit noch keiner unterwegs. In Deutschland wären schon die ersten Pendler hektisch auf der Straße zu finden. Warum auch immer ich habe vergessen meine Gegensprechanlage aufzuladen. Natürlich verabschiedet sich die ausgerechnet heute morgen. Das ist nicht so schlimm, denn keiner von uns beiden mag gerade viel reden. In Gedanken beschäftigen wir uns mit dem nach-Hause-kommen, und der Kälte die uns umgibt.
Die Autobahn schlängelt sich durchs Gebirge Richtung Iougminitsa. Wir haben grade die zweite Mautstelle passiert, da merke ich plötzlich, ich habe nun gar kein Licht mehr! „Mist!" denke ich „und das hier wo alles stockduster ist, um uns rum."
Ich fahre neben Tilman um ihn auf meine missliche Lage aufmerksam zu machen. Doch nach wenigen Kilometern ist plötzlich alles finster. Auch Tilmans Licht hat sich verabschiedet, und das bei 110 km/h auf einer Autobahn im Dunkeln!
Erschreckt bremsen wir ab. Mitten auf der Autobahn ohne Licht ist nicht wirklich lustig. Damit wir wenigstens für die hinter uns fahrenden sichtbar sind, reihe ich mich vorsichtig hinter Tilman ein, denn mein hinteres Licht funktioniert ja. Es ist ein sehr beängstigendes Gefühl in der fast totalen Finsternis Motorrad zu fahren. Nach und nach gewöhnen sich unsere Augen daran, und wir können wenigstens Schatten wahrnehmen.
Doch außer uns und einem einzigen gut beleuchteten LKW ist zum Glück niemand unterwegs. Nach einer gefühlten Ewigkeit, geht das Licht von Tilman wieder an. Wie sich später herrausstellen sollt, war das Licht selbst tadellos in Ordnung. Wir atmen auf und machen einen Gedächtnisknoten: Wenn wir Italien erreicht haben, muß eine neue Batterie in die Kischt.
Vor uns wird es heller. Nicht weil die Sonne aufgeht, sondern weil wir uns unserem Ziel nähern. Die Autobahn hört direkt am Hafen auf. Die Lichter des Hafens erhellen die wenigen Wolken am Himmel.
Wir müssen noch die Tickets lösen und gehen an der letzten Ausfahrt von der Autobahn runter. Mit traumwandlerischen Sicherheit findet Tilman sofort das Büro der Annek-Lines. Und das ohne Navi!
Am Straßenrand stehen noch mehr Motorräder, lauter Harley's, mit Kennzeichen BB und S. Die Heimat lässt grüßen.
Zu erst müssen wir wissen, ob überhaupt eine Fähre fährt. Nachdem uns das bejaht wird, fällt uns doch ein größerer Stein vom Herzen. Überland heimfahren, wäre ein weiteres Abenteuer geworden, allerdings ein völlig ungeplantes, ohne Kartenmaterial oder Infos über die jeweiligen Länder Albanien, Bosnien-Herzogovina, Kroatien und Slovakei.
Die Überfahrt kostet uns einen Zuschlag von 20 €. Entsetzt stellen wir fest, dass wir ja mit türkischer Lira auf dem Schiff nicht zahlen können. Ich prüfe meinen Finanzen und stelle fest, dass wir mit ca 30 € zurechtkommen müssen. Gut dass wir noch Lebensmittel und Getränke eingekauft haben. Müde fahren wir zur Anlegestelle ganz nach vorne.
An der Menge an Fahrzeugen, ist zu erkennen, dass gestern wohl keine Fähre gefahren ist. Das wird eng. Hoffentlich finden wir da ein Plätzchen, um unsere müden Häupter gut betten zu können.
Hinter uns kriecht die Sonne über die Bergkämme. Vor uns in weiter Ferne können wir schon das Fährschiff erkennen. Langsam kommt das Schiff näher, und die Fahrgäste hinter uns werden unruhig, dabei braucht das Schiff noch eine ganze Weile bis es umgedreht hat, sich der Laderaum öffnet und erst mal die ankommenden Autos entladen werden.
Dann geht alles ganz schnell. Innerhalb kürzester Zeit werden alle Fahrzeuge verstaut. Wir müssen mit den Motorrädern nach oben ins Parkzwischendeck fahren. Keine angenehme Angelegenheit, weil wir eine Metallrampe nach oben fahren müssen, die in der Mitte rutschig ist wie Schlamm.
Tilman und ich werden vor einen LKW gelotst zum parken. Dieser Platz ist für unsere beladenen Motorräder ein wenig kritisch, weil er nicht eben ist. Tilman hat Sorge wegen seinem zu sehr belasteten Seitenständer, und auch ich finde mein Nils steht zu schräg.
Obwohl der Beladehelfer hektisch um uns rum kreist, und uns endlich vom Parkdeck haben will, lassen wir uns nicht aus der Ruhe bringen. Tilman befestigt sei Kischt vorsichtshalber mit einem Packseil an einem Pfosten, und ich verteile mein Gepäck möglichst so, dass alles im Gleichgewicht bleibt.
Wir sind bei den letzten, die das Deck verlassen. Unsere Motorräder sind jetzt zwar so gesichert, dass wir beruhigt sind, dafür gibt es keine annehmbare Stelle mehr zum Schlafen. Die bequemen Sofas im Barbereich sind schon alle belegt. Ebenso die Pullmansitze. Da werden wir wohl warten müssen, bis sich am Abend was anderes ergibt. Also packen wir unsere sieben Sachen nur in die vorgesehenen Fächer, ziehen die Motorradstiefel aus, und hängen die Socken zum lüften drüber. Das klaut keiner freiwillig. Tja, ein kleiner Beitrag zur Lufterfrischung im Pullmanraum.